Samstag, 10. Juli 2010

Green Day - Dookie [Jugendsünden]

Es waren die 90er – eine Zeit, in der es oben im dritten Stock des LEIK, welches damals noch Förde-Einkaufszentrum (FEZ) hieß, einen großen Musikladen namens WOM gab. 1994 waren die Musikkassetten und Langspielplatten fast vollständig aus der „World Of Music“ verbannt worden, die Filiale bestand aber noch immer aus der selben, großen Fläche wie vor dem Ende des Vinyl-Zeitalters. Es war die goldene Zeit für junge Musiknerds wie mich, denn WOM hatte so ziemlich jedes Album auf Lager oder konnte es notfalls binnen weniger Tage an die Förde holen – inklusive Japan- und Australien-Importen. In der heutigen Zeit lacht man drüber, aber damals war das schon der Wahnsinn. Statt über myspace hörte man halt bei WOM in die CDs rein, die einen interessierten, und lernte neue Bands dadurch kennen, dass man einfach mal einen der vielen Kopfhörer aufsetzte, die in etwa Zwei-Meter-Abständen über allen Regalen hingen.

DookieIn manch ein Album hörte man auch einfach nur rein, weil einem das Cover besonders auffiel. „Dookie“ von der Band Green Day war eins davon. Es war Juli 1994, und dieses bunte Comic-Szenario einer von Bomben erschütterten Stadt fiel mir eines Nachmittags ins Auge. Ich hörte rein und passierte das, was viel zu oft passiert, wenn man das erste Mal in ein Album reinhört: Es gefällt einem nicht. Rückblickend ist es zwar gerade bei dem melodiösen 08/15-Poppunk, den Green Day auf ihrem Breakthrough-Album anboten, sehr verwunderlich, dass ich dafür mehr als einen Versuch brauchte. Aber es lag vielleicht daran, dass ich solche Musik zuvor nie hörte. Dieses Pseudo-Punkrevival befand sich halt noch ganz am Anfang, von The Offspring und Rancid hatte ich bis dahin – wie so ziemlich jeder – nie etwas gehört. Und selbst bereits in der Szene arrivierte Bands wie Bad Religion und NOFX kannte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, muss ich zu meiner Schande geschehen. Auch Green Day schienen keine Zukunft in meinem musikalischen Kosmos zu haben, denn nach drei oder vier Liedern von „Dookie“ wechselte ich bei WOM bereits den Kopfhörer.



Doch nur wenige Tage später änderte sich dies. Ich stand sonntags damals immer schon früh morgens auf, denn dort lief auf MTV immer die Chartshow „US Top 20“. Diese Sendung hatte das europäische MTV direkt aus den USA importiert, und dies hatte den riesigen Vorteil, dass man dort in den Charts Bands zu sehen bekam, die man in Europa gar nicht kannte. Zudem waren diese Charts von MTV völlig anders als die offiziellen, von R'n'B beherrschten Billboard-Charts, denn hier hatten auch Alternative-Bands durchaus die Chance, die Spitze zu erklimmen. Und an diesem verdammten Sonntag irgendwann Ende Juli 1994 stieg „Long View“ auf Platz 19 ein, und ich war ab dem zweiten Chorus endgültig gefangen von dem Song. Mit Laut/leise-Spielereien konnte man mich schon immer begeistern, das klappt auch heute noch. Gleich am nächsten Tag fuhr ich in die Stadt, um bei WOM nach dem Album der Band Green Day zu fahnden und „blind“, also ohne Vorhören, zu kaufen. Erst als ich das Cover im Regal vor mir sah, fiel mir ein, dass ich dort ja zuvor schon einmal reinhörte. Daher entschied ich mich dann doch gegen einen Blindkauf, jedoch gefiel mir „Dookie“ nun – mit diesem einen „Hit“ im Hinterkopf – deutlich besser, weshalb ich es für läppische 34,99 DM kaufte. Das war damals neben 32,99 DM der Standardpreis bei WOM, und eigentlich hat man diesen Laden wirklich nur zum Anhören von Musik benutzt, um dann für die endgültige Anschaffung des Tonträgers zu Brinkmann, Karstadt oder aber natürlich Blitz Records zu juckeln. Aber ich sah bei Green Day keine Möglichkeit, dass eins der anderen Geschäfte diese CD im Angebot haben würde.



Einige Monate später gab's „Dookie“ dann überall. Die zweite Single „Basketcase“ katapultierte das Trio in höchste Chartsphären. Während sich dann sogar die Mainstream-Hörer meines Jahrgangs das Album zulegten, war ich schon fast wieder weg davon, mein Weg führte mich über die ungebügelteren Frühwerke Green Days hin zu den deutlich rotzigeren Rancid. Eine der schönsten Erinnerungen an diese Zeit hat aber unumstößlich mit diesem Album zu tun. Die ersten Mitschüler aus meinem Jahrgang – in erster Linie diejenigen, die schon mal eine Ehrenrunde drehten – wurden volljährig und bestanden ihren Führerschein. Der allererste von ihnen war Olli, mit dem wir eines Tages zu fünft zu einem Volleyballspiel fuhren. Nicht, dass wir selbst gespielt hätten, aber in unserem Jahrgang spielten viele Mädels zusammen in einer Mannschaft, unter ihnen auch Ollis damalige Freundin. Ich habe keine Ahnung mehr, wo dieses Spiel stattfand (und noch viel weniger, wie das Spiel ausging...), aber es war definitiv noch innerhalb Kiels. Von daher dürften wir auch gar nicht lange unterwegs gewesen sein. Auf der Hin- und Rückfahrt aber drehten wir die „Dookie“ auf und rockten ab, wie wir es aus dem Film „Wayne's World“ zum Lied „Bohemian Rhapsody“ kannten.



Und Green Day? Die gibt’s bekanntlich immer noch, und ich habe mir auch alle ihre späteren Alben gekauft. Mit „Good Riddance“ hatten sie noch einmal einen kleinen Akustikgitarren-Hit und mit „Warning“ ein fantastisches 60s-Pop-Album hingelegt. Und dann kam der richtig große Erfolg mit der Punk-Oper „American Idiot“. Das war schon lange nicht mehr meins, aber man muss der Band schon zu Gute schreiben, dass sie sich noch einmal weiterentwickeln konnte. Mindestens das. Die 90er Jahre ohne Green Day? Ich wäre jetzt ein – wenn vermutlich auch nur geringfügig – anderer Mensch.

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